ÖSTERREICHISCHE POSTSPARKASSE
Georg Coch-Platz 2, 1010 Wien

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Visionen der Moderne

Entwurf für das Depeschenbüro

Entwurf für das Depeschenbüro "Die Zeit"

Entwurf für das Technische Museum, 1909

Entwurf für das Technische Museum, 1909

Entwurf für das Kriegsministerium

Entwurf für das Kriegsministerium

Vision und Scheitern der Moderne

Trotz seiner bedeutenden Bauten, seiner Meisterwerke, seiner visionären Theorie, seinem enormen Einfluß auf die Entstehung der Moderne im Wien um 1900, ist Otto Wagner auch an Wien gescheitert. Zu groß war das Beharrungsvermögen der konservativen Kräfte der ihrem Ende zutreibenden Monarchie. Es war nicht nur Neid und Dummheit der sogenannten Kollegenschaft und der Politik, das viele seiner Projekte verhinderte und beispielsweise zu einer jahrelangen Groteske um seine Entwürfe für das Kaiser Franz Joseph-Stadt-Museum führte. Der Kampf gegen Wagner liegt anscheinend auch im Schicksal dieser Stadt begründet, in der die Vergangenheit bis heute einen höheren Stellenwert hat als das Bekenntnis zur Zukunft.

Beim Wettbewerb zur Erbauung des Kriegsministeriums im Jahr 1908, das der Postsparkasse genau gegenüber liegt und an dem sich 66 Architekten, u.a. Otto Wagner, Adolf Loos und Leopold Bauer beteiligten, war Ludwig Baumann mit Billigung des Thronfolgers Erzherzog Ferdinand als Sieger hervorgegangen. Baumanns Monument staatlicher Selbstdarstellung ist das Gegenteil der Architektur der Moderne.

Die Wagner-Schule

Als Professor an der Akademie der bildenden Künste konnte Otto Wagner eine begeisterte Schar von Schülern aus aller Welt um sich versammeln. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens waren 191 Schüler inskribiert. Es galt für die drei Jahre des Studiums drei Projekte zu entwickeln: Im 1. Jahr ein Wiener Zinshaus, im 2. Jahr einen öffentlichen Bau, und im 3. Jahr „die Lösung einer Aufgabe, welche im Leben wohl nie an Sie herantreten wird, deren Durchbildung aber dazu beitragen wird, den göttlichen Funken der Phantasie, der in ihnen glimmen soll, zur leuchtenden Flamme anzufachen.“

Die Botschaft der Wagner-Schule verbreitete sich über ganz Europa. Joze Plecnik in Slowenien, Viktor Kovacic in Zagreb oder Jan Kotera in Prag wurden zu den Begründern der nationalen Moderne ihrer Länder. Rudolph M. Schindler wanderte nach Kalifornien aus, arbeitete für Frank Lloyd Wright und trug wesentlich zur Entwicklung der kalifornischen Moderne bei. Die regelmäßig in der Zeitschrift „Architekt“ publizierten Projekte der Schule wurden von St. Petersburg bis Barcelona rezipiert. Und die Architektur des „Roten Wien“ konnte nur durch die maßgebliche Mitwirkung der Wagner-Schüler – Gessner, Ehn, Schmid, Aichinger, Hetmanek, Hoppe, Kammerer, Schönthal, etc. – entstehen.

„Die Grundlage für die Situationsanalyse der Architektur kann und muß das System Wagners sein. Von der gesamten modernen Bewegung war es das historisch erste, das exklusivste, das konkreteste und das erste ideologisch organisierte System; in Europa kommt ihm richtungsweisende Funktion zu, nicht nur auf Grund seiner vielen Erfolge, sondern auch weil alle modernen Städte Europas unter seinem Einfluß stehen.“
Pavel Janák, Prag 1910, Wagner-Schüler.